Sascha Wittmann


Sie ist in Wien geboren und lebt jetzt in Wien und Opponitz (NÖ).

Politische Systeme, große Organisationen, Familien. Welche Auswirkungen haben sie auf einzelne Menschen? Sind sie Orientierungspunkte oder geht das Individuelle in ihnen verloren? Mit diesen Gedanken beschäftigt sie sich hauptsächlich beim Schreiben.

Um den Kopf dafür frei zu bekommen, treibt sie sich in Wäldern und auf Bergen herum.


Regelmäßige Veröffentlichungen in Literaturzeitschriften und Anthologien

Außerdem Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft Autorinnen www.aga.at

Leseprobe:



Ein guter Tag

Warum stehen die Bäume so eng zusammen? Ich habe doch genug geschlafen. Ich habe auch am Abend die Tabletten genommen. Aber die Bäume ... schon wieder so eng.

Ich muss aufstehen.
Ich muss den Bademantel anziehen und die Hausschuhe.
Ich muss duschen.
Ich muss meine Zähne putzen.
Ich muss mich anziehen.
Ich muss Tee kochen.
Ich muss eine Buttersemmel essen.
Ich muss meine Tabletten nehmen.

Ich darf nicht aus dem Fenster schauen. Die Bäume ... so eng.

Mantel und Schuhe anziehen.
Die Tasche nehmen.
Wohnungstüre zu sperren.
Zur Straßenbahn gehen.


Die Bäume stehen ganz eng.

Rot. Die Frau trägt eine rote Jacke. Warum rot? Das Kind hat eine rote Schultasche. Und die Bäume stehen ganz eng. Die Straßenbahn. Rot.

Ich muss einsteigen.

Eine Frau mit einer roten Tasche. Und draußen die Bäume ganz eng. Auf den Boden schauen. Nicht auf die Tasche, nicht aus dem Fenster.

Josef Binder-Gasse.
Ich muss aussteigen.
Ich muss die Gasse entlang gehen und dann in die Bahngasse einbiegen.

Hier sind keine Bäume. Ein rotes Verkehrsschild. Dort das Mädchen: rote Schuhe. Sie bewegen sich ununterbrochen. Rot. Unaufhaltsam. Auf den Weg schauen.

Grau-schwarz. Der Asphalt ist grau-schwarz. Das ist eine gute Farbe. Ruhig.

Die Eingangstür aufmachen.
Durch den Gang zum Lift gehen.
In den dritten Stock fahren.

Ich muss die Kolleginnen grüßen.
Ich muss an meinen Platz gehen.
Den Computer einschalten.

Ich darf nicht aus dem Fenster schauen. Im Hof die Bäume ganz eng. Ich muss fest auf meinen Bildschirm schauen.

Birgit mir gegenüber hat heute einen grauen Pullover an. Es wird ein guter Tag werden.


Noch mehr gibt´s unter: www.buchkultur.net/literaturplattform

1 Kommentar:

  1. Wie schön! Lyrik gibt es ja selten von dir, lyrische Prosa eher, ... eine schöne Vorstellung, sie motoviert :-)

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